Verbietet das Bauen!? Ein Meinungsartikel von Saskia Hüneke

Verbietet das Bauen!? Ein Meinungsartikel von Saskia Hüneke

Zum Werkstattgespräch der Stadtfraktion Bündnis90/Die Grünen „Verbietet das Bauen“ mit Daniel Fuhrhop und Andreas Goetzmann am 25. Oktober 2016 im Haus der Natur Potsdam

Bereits zum 5. Mal hat die Potsdamer Stadtfraktion von Bündnis 90/Die Grünen ein Werkstattgespräch zu einem stadtpolitischen Thema durchgeführt. Eingeladen war diesmal Daniel Fuhrhop, der Verfasser des 2015 erschienenen Buches „Verbietet das Bauen!“.   In seiner radikalen und gleichzeitig sachkundigen Streitschrift hinterfragt der Publizist die ungebrochene Bautätigkeit in den Ballungszentren und die damit einhergehende Benachteiligung der Randzonen, er bezweifelt den allgemeinen Baubedarf, kritisiert die Auswirkungen des Baubooms auf das Klima sowie die angebliche Klimaneutralität zahlreicher so bezeichneter Bauten. Anschauliche Beispiele illustrieren diese Positionen. Fuhrhop wirbt für eine ganzheitliche Betrachtungsweise, in die verwendete Materialien, aus der Lage resultierende Wege, der tatsächliche Energiebedarf und CO2-Ausstoß sowie der Reboundeffekt (bessere Ökoeffizienz wird von höherem Verbrauch aufgehoben) einbezogen werden.

Besonders anregend für Stadtpolitiker ist ein Katalog von Werkzeugen, die helfen sollen, den Raumbedarf durch geförderte Methoden des sozialen Zusammenlebens und -wohnens zu senken. Einige seiner Kernforderungen sind: kein Leerstand, kein Abriss sondern Sanierung, Förderung gemeinsamer Nutzungen und negative Standortwerbung. Zusätzlich verwies Fuhrhop auf sein zweites, neues Buch „Willkommens-Stadt“, in dem er Methoden zur sozialen Integration von Geflüchteten aufzeigt.   Immer wieder hat die Stadtfraktion Bauvorhaben in Potsdam vergeblich kritisiert, wenn ihnen wertvolle Naturräume zum Opfer fielen oder sie den Umgebungsschutz des Weltkulturerbes Potsdamer Kulturlandschaft beeinträchtigten. So schön die Attraktivität der Stadt und die positive Gesamtentwicklung der Stadt sind, stellt der Bauboom die Stadt vor enorme, wachsende Anforderungen. Der gegen die Zersiedelung der Landschaft weithin akzeptierte Grundsatz „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ stößt in Potsdam an seine Grenzen, da Potsdam durch die hochwertigen bis in die Stadtmitte reichenden Grünräume der Potsdamer Kulturlandschaft geprägt ist. Die Fraktion hatte deshalb schon einen workshop zum Thema der „Wachsenden Stadt“ angeregt, die die Stadtverwaltung mit dem difu-Institut für alle Stadtverordneten durchführte. Auch das Stadt-Forum Potsdam hatte sich des Themas angenommen. Gegenüber diesen Veranstaltungen war es aber die klare Konsequenz und die Konkretheit der Argumente und Vorschläge von Fuhrhop, die zur Idee des Werkstattgespräches führten.

Um die Überlegungen Fuhrhops der Situation in Potsdam gegenüberzustellen, war der Chef der Stadtplanung, Andreas Goetzmann, zum Gespräch geladen. Er führte in einer schrittweisen Analyse des Flächennutzungsplanes die Flächen vor Augen, die mit Ausschlusskriterien und Einschränkungen für Bauvorhaben versehen sind. Gleichzeitig verwies er auf den ungebrochenen Zuzug, den man nicht regulieren bzw. verbieten könne. Im deutlichen Gegensatz zu Fuhrhop stellte er dar, dass Negativwerbung nicht zur Entlastung sondern zum Schaden für die Gesamtstadt – und das hieße auch für alle – führen würde.   Aus unserer Sicht sollte erwogen werden, das Wachstum nicht einfach hinzunehmen. Es muss gestattet sein, über dessen Grenzen nachzudenken. Da die Bevölkerung schneller gewachsen ist, als es der Neubau zuließ, werden Bestandsgebäude offenbar schon jetzt dichter genutzt. Vieles hat die Stadt im Sinne von Fuhrhop auf den Weg gebracht, darunter die Sanierung der DDR-Neubaugebiete aus Mitteln des Förderprogramms Soziale Stadt, Umzugsfördermaßnahmen der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Pro Potsdam und andere Maßnahmen des wohnungspolitischen Konzeptes. Auch die Strategie der Nachhaltigen Mobilität dient einer besseren Anbindung der Landkreise, die preiswertere Wohnraumbestände aufweisen. Dennoch reichen nach Ansicht Hünekes die Maßnahmen nicht aus: irgendwann oder auch an besonderen Orten jetzt schon wird man zur Neuausweisung von Bauland auch Nein sagen müssen.   Keine Übereinstimmung wurde in der nur kurz angeschnittenen Frage erzielt, wieweit in der Potsdamer Mitte Abrisse der DDR-Bauten grundsätzlich abzulehnen sind. Auch den Denkansatz, dass die danach beabsichtigten Wohnungsneubauten nach umfassender Betrachtung aufgrund der Verdichtung in besterschlossener Innenlage dennoch als nachhaltig angesehen werden könnten, fand Fuhrhop durch sein Buch nicht untersetzt.   Die radikale Infragestellung Fuhrhops hat eine wichtige Funktion in dieser Zeit. Die lebhafte Diskussion der mit nahezu 50 Gästen gut besuchten Veranstaltung zeigte, dass viele seiner Anregungen auf positive Resonanz stießen und sicher ihren Niederschlag in den Bemühungen von Kreisverband und Fraktion finden werden.

Saskia Hüneke
stellvertr. Fraktionssvorsitzende
Mitglied im Ausschuss für Stadtplanung, Bauen und Verkehr