Nach einer über 25-jährigen andauernden Entwicklung der Potsdamer Mitte werden neuerdings starke Zweifel am Ziel ihrer Wiedergewinnung geäußert. Ein Bürgerbegehren zu den Standorten von Fachhochschule, Staudenhofwohnhaus und Hotel Mercure wurde gestartet. Dies hat uns veranlasst, unsere eigenen Positionen erneut umfänglich zu beraten.
Im Ergebnis sprechen wir uns dafür aus, die begonnene Entwicklung im Sanierungsgebiet Potsdamer Mitte fortzusetzen. Das Anliegen des Bürgerbegehrens unterstützen wir nicht.
Wir setzen uns für die Wiederentstehung eines kleinteiligen, lebendigen Stadtteils ein, in dem wieder Menschen wohnen, kulturelle und soziale Vielfalt gesichert wird, wo sich Geschichte und Moderne begegnen und die Nähe des dichten Stadtgefüges zur Flusslandschaft erlebbar wird. Dabei ist die Weiterentwicklung des modernen Lustgartens als eines öffentlichen Erlebnisraumes von großer Bedeutung. Neben den vielen öffentlichen Funktionen soll privates Bauen und Gestalten möglich werden, indem auch Bürgergruppen für den Eigenbedarf investieren. Dies kann sich baulich an der Geschichte oder überwiegend an der Moderne orientieren.
Sanierungsziele und Leitbautenkonzept bilden einen Rahmen, der über Jahre in einem öffentlichen Meinungsbildungsprozess gewonnen und durch demokratische Mehrheiten untersetzt ist. Die Umsetzung der Beschlüsse durch die Verwaltungen begleiten wir konstruktiv und kritisch zugleich.
Mit Ausnahme der Grundstücke der Fachhochschule, die bald ausgeschrieben werden sollen, geht es bei den anderen Bereichen wie dem Lustgarten mit dem Hotel Mercure und dem Staudenhofwohnhaus um Weichenstellungen für eine zukünftige Entwicklung, die teils noch Jahre in Anspruch nehmen wird. Beim Wohnungsbau ist uns die soziale Vielfalt wichtig, die durch Landesförderung aber auch durch Bürgerinvestitionen gesichert werden soll.
Das Sanierungsgebiet Potsdamer Mitte ist nur ein Kernbereich der viel weiter ausgreifenden Potsdamer Mitte. Wenn im Sanierungsgebiet die Bauten der DDR-Zeit für die Zukunft infrage gestellt werden müssen, um das Ziel einer lebendigen Kleinteiligkeit zu erreichen, bleibt im Blick, dass die Potsdamer Mitte weiter mit den Wohnbereichen der DDR-Zeit in der Burgstraße und der Breiten Straße nicht nur preiswerten Wohnraum sondern auch zahlreiche Zeugnisse der DDR-Geschichte auf Dauer aufweisen wird. Zu letzteren zählen wir ebenso die Grünanlagen an der Alten Fahrt und der Havelbucht sowie das Gartendenkmal Freundschaftsinsel, für deren Bewahrung wir uns einsetzen. Auch die Schaffung von „Möglichkeitsräumen“ in der weiteren Potsdamer Mitte wollen wir klären und unterstützen.
Die Auseinandersetzung im öffentlichen Diskurs ist uns wichtig. In 22 Antworten gehen wir auf die in der öffentlichen Debatte gehörten Argumente ein. Auch wenn dies nicht vollständig sein kann, mögen unsere Überlegungen auch anderen dienen, ihre jeweils eigene Position zu finden.
- I. Städtebau (1.- 2.)
- II. Baukunst (1.- 4.)
- III. DDR-Zeugnis (1.- 2.)
- IV. Eigentum und soziale Fragen (1.- 5.)
- V. Funktionen und Nutzungen (1.- 2.)
- VI. FH Potsdam und Staudenhofwohnhaus (1.- 2.)
- VII. Lustgarten/Hotel Mercure (1.- 3.)
- VIII. Bürgerbeteiligung (1.- 2.)
- Schlussbemerkung
I. Städtebau
I. 1. „Warum wird die Potsdamer Mitte überhaupt umgebaut?“
Viele haben vergessen, wie unerfreulich die große Straßenkreuzung Breite Straße/Friedrich-Ebert-Straße war und dass es gar keinen Alten Markt gab. Die großen Gebäude im Zentrum der Potsdamer Mitte erzeugten in ihrer monolithischen Maßstäblichkeit unwirtliche Stadträume. Derartige Strukturen der autogerechten Stadt waren in den 60/70ern im Osten wie im Westen modern, heute sind sie überholt: Die alte Stadtstruktur mit ihren wohlproportionierten Straßen und Plätzen soll im menschlichen Maßstab wiederentstehen und so mit vielfältigem Leben erfüllt werden. Deshalb wurde 1991 die „behutsame Wiederannäherung an den alten Stadtgrundriss und -aufriss“ beschlossen und die Entwicklung etwa ab 1997/1998 kontinuierlich mit städtebaulichen Untersuchungen, mit Fachwerkstätten, öffentlicher Beteiligung und zahlreichen Stadtverordnetenbeschlüssen und ihrer Umsetzung vorangebracht. Der wiederentstehende Alte Markt mit dem Landtagsschloss und der Humboldtstraße beginnt gerade, wieder zu einer lebendigen Stadtmitte zu werden. Die ganze Wirkung wird erst vollständig zum Tragen kommen, wenn wir die weitere Entwicklung nicht aufhalten, sondern befördern und gestalten.
I.2. „ Es geht doch nur um Ästhetik, eher um Steine als um Menschen.“
Stadträume, also die Größenverhältnisse von Gebäuden, Wegen und Plätzen, wirken mit den Außenansichten der Gebäude zu einer strukturellen Ästhetik zusammen, bei der es nicht nur um Bilder geht, sondern um Lebensräume. Insofern ist Ästhetik in der Stadt nicht nachrangig. Sie spielt für das Leben in ihr, das Wohlfühlen und damit auch das Miteinander eine große Rolle. Wir erleben das alle täglich, auch wenn wir es uns nicht immer bewusst machen. Die Schönheit der gebauten Stadt kommt allen darin lebenden Menschen zugute und gerade darin besitzt Potsdam ein großes Potential!
II. Baukunst
II.1. „Es geht doch nur darum, die historischen Bilder wieder zu erschaffen.“
Nein, die meisten Häuser sollen in moderner Bauweise entstehen. Das Leitbautenkonzept und einzelne Grundstückspässe beschreiben das genauer. Nur das Palais Barberini ist ein Leitbau, bei dem Innen und Außen so genau wie möglich dem historischen Vorbild folgen. Im Weiteren wird es außer dem Landtagsschloss und den beiden Leitfassaden in der Humboldtstraße nur noch 5 weitere historisierende Bauten vor allem an den Ecken der Karrees geben, alles andere werden moderne Bauten in der Struktur und Maßstäblichkeit der alten Stadt.
II.2. „Es entsteht ein Disneyland.“
Disneyland ist eine abwertende Bezeichnung für Planungen, die ausschließlich Schaufassaden als touristische Attraktion vorsehen. Hier aber sollen Wohnungen, Läden, Gaststätten und andere, teils öffentliche, Nutzungen entstehen. Und anders als bei Disneyland werden bei den historisierenden Neubauten große Anstrengungen unternommen, um so genau wie möglich zu sein, altes Architektenwissen und Handwerkskunst anzuwenden und damit auch weiterzugeben. Hier in Potsdam kommt man dem Anspruch einer Rekonstruktion, d.h. einer an historischen Quellen und realen Zeugnissen orientierten möglichst genauen Wiederholung, trotz aller Fachkritik im Detail und notwendiger Kompromisse, schon recht nahe. Disneyland entsteht auch deshalb nicht, weil die meisten Neubauten modern sein sollen. Die einsetzende Alterung wird den Eindruck des zu „neuen“ ohnehin bald schwächen.
II.3. „Moderne Architektur wird infrage gestellt.“
In der Tat ist es nicht ganz einfach, in Potsdam wirklich gute moderne Baukunst zu finden, da sie leider allzu oft in den Dienst renditeorientierter Massemodelle gestellt wird. Es gibt aber sehr gute moderne Architektur, z. B. die bestens in den Kontext des Volksparkes integrierte Biosphärenhalle, viele Forschungs- und Unibauten oder kleinere Privatbauten. Wir unterstützen ausdrücklich die weitere Herausbildung hoher Qualitätsmaßstäbe und haben deshalb den Gestaltungsrat für Potsdam angeregt. Wir sprechen uns grundsätzlich für Wettbewerbs- und Gutachterverfahren aus.
In der Potsdamer Mitte wird man erst, wenn das Karree am Havelufer fertig ist, die beabsichtigte Korrespondenz von original-historischen und neuen historisierenden Bauten mit der Moderne erleben können, entsprechend soll das in den Baufeldern 3 und 4 (Fachhochschulgelände) erfolgen.
II.4. „Funktion und Form eines Gebäudes müssen zusammenpassen, reine Fassadenarchitektur ist nicht glaubwürdig.“
An diesem alten Grundsatz ist viel Wahres. Aber zum Einen gibt es in Potsdam eine Tradition der Fassadenarchitektur, denn Friedrich II. hat zahlreiche Häuser mit Schmuckfassaden „modernisiert“ und damit ein prachtvolles Stadtbild erzeugt. So sind viele Fachwerkhäuser der barocken Innenstadt überformt. Zum Anderen kennt auch die moderne Architektur die Vorhangfassade. Vielen modernen Gebäuden kann man nicht ansehen, ob darin eine Bank, ein Schwimmbad oder eine Turnhalle ist. Gleich, ob es um historisierende oder moderne Bauweise geht, neues Bauen muss sich in diesem Spannungsfeld orientieren.
III. DDR-Zeugnis
III. 1. „Kein Kahlschlag an der Ost-Moderne. DDR-Architektur gehört zu Potsdams Mitte.“
Es geht nicht darum, grundsätzlich die baulichen Zeugnisse der DDR-Zeit zu beseitigen, die DDR bleibt Teil der Stadtgeschichte. Es geht um den Städtebau im Sanierungsgebiet, im engsten Zentrum der Innenstadt, wo die aus der DDR überkommenen baulichen Strukturen mit der neuen Entwicklung unvereinbar sind. Dagegen bleiben die unmittelbar an das Sanierungsgebiet angrenzenden aber immer noch zur Mitte Potsdams gehörenden DDR-Bauten bestehen: das Burgstraßenviertel, die Breite Straße bis zur Zeppelinstraße mit dem Studentenwohnheim, den Hochhäusern, der Markthalle und nicht zuletzt dem Baudenkmal Seerose.
Unsere Bemühungen, bei der Sanierung der Bibliothek am Platz der Einheit die DDR-Fassade zu erhalten, blieben leider erfolglos, das ist schade. Es ist aber auch symptomatisch für Sanierungen solcher Bauten und nährt die Erwartung, dass es auch in anderen Fällen nicht gelingen wird, den äußeren Eindruck bei einer Gebäudesanierung zu erhalten.
III. 2. „Man kann die DDR-Bauten unter Denkmalschutz stellen oder eine Erhaltungssatzung erlassen, dann muss man auch ihr Aussehen erhalten.“
Wir und auch die LINKE haben das prüfen lassen: Die Gebäude in der Potsdamer Mitte wurden fachlich untersucht, es wurde keine Denkmalwürdigkeit festgestellt.
Auch eine Erhaltungssatzung kann man nicht willkürlich erlassen.
IV. Eigentum und soziale Frage
IV.1. „Öffentlicher Grund soll nicht mehr verkauft und die Privatisierung öffentlichen Eigentums gestoppt werden.“
In Bezug auf das Grundstück des Staudenhofwohnhauses können wir diese Forderung unterstützen. Es ist im Bestand der Pro Potsdam und soll so weiterhin für städtischen Wohnungsbestand zur Verfügung stehen.
Darüber hinaus ließe sich diese Forderung aber nicht ohne katastrophale Verluste und Auswirkungen für die gesamte Entwicklung umsetzen: Mit dem 1999 beschlossenen Sanierungsgebiet und seinen Entwicklungszielen geht ein Finanzierungskonzept einher, das das gesamte Sanierungsgebiet umfasst: Grundstücke werden verkauft, Einnahmen und der spätere Wertausgleich, den die Eigentümer für die Aufwertung des Umfeldes zahlen, werden in die Entwicklung der öffentlichen Flächen investiert. Fördermittel werden unter den neuen Entwicklungszielen beantragt und angenommen. Stadtverwaltung und Sanierungsträger arbeiten seit Jahren an den Aufträgen aus der Stadtverordnetenversammlung, viel ist geschehen: die Platzflächen von Altem Markt, der Rückbau der Straßenkreuzung, die Qualifizierung der Breiten Straße, der Steubenplatz, der Platz vorm Filmmuseum, der Lustgarten mit Festplatz, der öffentliche Uferweg an der Havel, die Rettung der Ringerkolonnade etc. etc. Die Mittel dafür müssen erwirtschaftet werden. Ob es wie in der reichen Stadt Frankfurt/Main auch hier möglich wäre, die Flächen in städtischer Regie zu entwickeln, darf bezweifelt werden, zumal auch dort die meisten der Grundstücke später verkauft werden sollen.
IV.2. „Potsdamer werden hier ausgeschlossen.“
Es ist uns ein wichtiges Anliegen, die Voraussetzungen für Investitionen auch von Bürgergruppen zu ermöglichen. D.h. für geeignete Grundstücke können sich Bürgerinnen und Bürger zu einer Investitionsgemeinschaft zusammenschließen und in einem der interessantesten Gebiete der Stadt auf Dauer heimisch werden. Diese kleineren Grundstücke befinden sich vor allem in der zukünftigen Schwertfegerstraße.
IV.3. „Die Wohnungen werden nur Zweitwohnungen reicher Leute sein oder als Gastwohnungen vermietet werden. Verdrängung findet statt.“
Für das Grundstück des Staudenhofwohnhauses wurde eine soziale Abfederung vorgeschrieben, die sozial geförderten neuen Wohnungen werden besser und nicht teurer als die bestehenden sein. Auf diesem, aber auch auf dem Grundstück des FH-Gebäudes sollen jeweils bis zu einem Drittel der Wohnungen als geförderte Sozialwohnungen errichtet werden.
Außerdem gibt es kleinere Grundstücke für Baugruppen, die zur Eigennutzung bauen, d.h. Bürger können hier Bauherr werden!
Um die Nutzung als Ferienwohnungen zu verhindern, bedarf es ohnehin mit Blick auf alle Altstadtgebiete Potsdams dringend einer Landesgesetzgebung. Es wird auch teure Wohnungen geben, aber Verdrängung kann auch dort nicht stattfinden, weil sie neu entstehen.
IV.4. „Es soll kein öffentliches Geld für die Abrisse von FH und Mercure ausgegeben werden. Statt die Stadtgesellschaft damit zu belasten, baut lieber Kitas und Schulen.“
Abgesehen davon, dass das Finanzierungskonzept beim Mercure noch aussteht, ist es nicht sinnvoll, die möglicherweise erforderliche Entschädigung für das Mercure und die Finanzen für den Abriss der FH isoliert vom übrigen Sanierungsgebiet zu betrachten. Es wird in einem Treuhandvermögen vom Sanierungsträger Potsdamer Mitte, einer Tochter der Pro Potsdam, verwaltet. Bei der Entwicklung des ganzen Stadtteils mit Wohnungen und der Verschönerung des öffentlichen Raumes einschließlich des Lustgartens werden Investitionen aus dem Treuhandvermögen eingesetzt. Dieses speist sich aus dem Wert des Immobilienvermögens und Privatinvestitionen, an die Entwicklungsziele gebundene Fördermittel kommen hinzu. Diese Finanzen stehen nicht mit den übrigen Investitionshaushalten der Stadt oder der Pro Potsdam in Verbindung. Der Verzicht auf die Entwicklung der Mitte würde also keine anderen Finanzlöcher etwa beim Bau von Schulen oder Kitas stopfen helfen. Wohl würde aber durch die weitere öffentliche Nutzungen des FH-Gebäudes der städtische Haushalt belastet, diese also zu anderen freiwilligen Sozial- und Kulturleistungen in Konkurrenz treten.
IV.5. „Je schöner die Stadt wird, desto teurer wird sie.“
Im Gegenzug hieße das, wir dürften die Stadt nicht attraktiver machen, damit die Mieten nicht steigen. Das ist ein Kurzschluss, denn mit der Steigerung der Attraktivität wächst die Lebensqualität für alle und entstehen weitere Arbeitsplätze etc. Mit allen Mitteln, die unterhalb der Bundes- und Landesgesetzgebung zur Verfügung stehen, arbeitet die Stadt parteiübergreifend und energisch gegen die Auswirkungen von Mietsteigerung und Gentrifizierung. Die großen Wohnungsbestände der städtischen Pro Potsdam und der Genossenschaften, die über das ganze Stadtgebiet, darunter in sehr zentraler Lagen, verstreut sind und auch nicht in Frage stehen, bilden die wichtigste Grundlage dafür.
V. Funktion und Nutzung
V.1. „Ihr denkt zu wenig daran, welche Funktionen in der Stadtmitte sein sollen. Es gibt keine öffentlichen Räume in der Potsdamer Mitte, die Verluste seit der DDR-Zeit sind nicht ausgeglichen. In 10 Jahren wird alles privatisiert sein.“
Das Sanierungsgebiet Potsdamer Mitte weist eine hohe Dichte öffentlicher Funktionen und Räume auf: Potsdam Museum, Landtag, Kirche, Filmmuseum, Haus der Brandenburgisch Preußischen Geschichte, die Forschungsinstitute am Neuen Markt, Stadt- und Landesbibliothek mit ihrer Wissenschaftsetage und zukünftig noch die Synagoge, das Versöhnungszentrum Garnisonkirche, für einige Jahre das Rechenzentrum und noch unentschieden der Lange Stall, nicht zu vergessen der Lustgarten und die Plantage. Sie alle bieten vielfältigen Raum für Austausch und Begegnung. Ausdrücklich war es immer ein Hauptziel, neben diesen vielen öffentlichen Nutzungen Wohnungen in die Potsdamer Mitte zu bringen, damit das Viertel auch ein eigenes Leben entwickeln kann. Natürlich wird es auch Tourismus mit Handel und Gastronomie geben.
Über das Sanierungsgebiet hinaus befinden sich der Nikolaisaal, das Kabarett Charlottenstraße, das Naturkundemuseum, das Haus der Natur, die Schiffbauergasse, das Freiland, die Freundschaftsinsel in einer maximalen 5-Minuten-Fahrrad-Entfernung.
V.2. „Wir brauchen einen „Möglichkeitsraum“ für flexible Veranstaltungsformate und für die Kreativwirtschaft, wie sie gerade im Rechenzentrum ausgelebt wird.“
Ja, das sehen wir ebenso, auch wenn Größe, Nutzer, Funktionen und baulicher Anspruch noch zu klären sind. Zudem wird sich die Stadt fragen müssen, wie viele „Möglichkeitsräume“ gebraucht werden und ob diese im Sanierungsgebiet, also dem Kernbereich der Mitte, angesiedelt werden müssen. Vielleicht geht es eher darum, finanziell bessere Bedingungen für Veranstalter an bereits bestehenden Orten im Potsdamer Stadtgebiet zu schaffen. Wir setzen hier u.a. weiter darauf, dass die Stadt die Ulanenkaserne in der Schiffbauergasse vom Bund erwirbt und langfristig zum Zentrum der Kreativwirtschaft entwickelt. Auf keinen Fall können die Wohnbauflächen auf dem FH-Grundstück dafür verwendet werden, da wir dort für die funktionale Vielfalt dringend Wohnbebauung benötigen.
VI. FH Potsdam und Staudenhofwohnhaus
VI.1. „Die FH ist ein wertvoller öffentlicher Bau für öffentliche Nutzung. Dieser Ort soll nicht privatisiert werden.“
Nach der Entscheidung des Landes Brandenburg die FH an der Pappelallee auszubauen und zu konzentrieren, fehlt dem Gebäude eine auf Dauer finanzierte Nutzung. Beim Erhalt würden abgesehen von den Verlusten im Investitionsvolumen des Sanierungsgebietes, der Unklarheit über die Finanzierung einer Sanierung auch Belastungen im städtischen Haushalt entstehen. Es wäre eine Frage der Kulturpolitik, ob Potsdam Mittel für eine Nutzung
auf Dauer zur Verfügung stellen könnte. Wenn man an die Vielzahl der geförderten Kulturträger in Potsdam denkt, die hervorragende Arbeit machen und notorisch unterfinanziert sind, ist das unwahrscheinlich.
Auch der Vorschlag, einen Teil des Gebäudes im Inneren der Karrees stehen zu lassen, wirft Fragen auf: die Investitionen in der Nachbarschaft würden durch das Volumen der FH beeinträchtigt, die Finanzierung für den aufwendigen Umbau und die Nutzung auf Dauer wären kaum realistisch und würden ebenfalls den städtischen Haushalt einbeziehen müssen.
VI.2. „Das Staudenhofwohnhaus soll bestehen bleiben.“
Hier gelten ähnliche räumliche Rahmenbedingungen wie für das Grundstück des FH-Gebäudes: die Karreestruktur mit ihrem Straßenverlauf ist mit dem Bestandsgebäude unvereinbar, zumal hier noch das stark veränderte Höhenniveau im Straßenraum Probleme bereitet. Hier ist die Nutzung bis 2022 festgesetzt. In der Frage Sanierung oder Neubau für den Zeitraum danach steht der Erhaltung von 180 wenig attraktiven Wohnungen ein Neubaupotential von etwa gleicher, aber besserer Wohnfläche gegenüber.
Da die Wohnungen nach einer Sanierung des Gebäudes deutlich über 9 € kosten würden und die Miete bei Neuerrichtung geförderten Wohnraums bei 5-6 € bleiben würde, sehen wir nicht nur städtebauliche sondern auch soziale Vorteile in einem Rückbau. Diesem werden wir dann zustimmen, wenn die Errichtung von einem Drittel der Neubauwohnungen im sozial geförderten Wohnungsbau gesichert wird.
VII. Lustgarten/Mercure
VII.1 „Ein funktionierendes Hotel abzureißen, ist falsch, das würde den Tourismus in Potsdam schädigen.“
Bei dem Beschluss zur Konkretisierung der Sanierungsziele mit einem Lustgarten ohne Hotel ging es um eine prinzipielle Weichenstellung für die Zukunft, die der Stadt erstmals ein gesetzlich ermöglichtes Mitspracherecht an dem Standort einräumt. Es ist noch unklar, wann und wie es zu Veränderungen kommen kann.
Das Hotel funktioniert im Moment im preiswerten Hotelsegment in Potsdam. Das kann es aber nur, weil es sehr lange nicht grundlegend saniert wurde, d.h., dass branchenbedingt der Zeitpunkt von weitergehender Sanierung- und Modernisierung näher rückt. Dann würden sich die Preisverhältnisse vermutlich ändern. Bei einer grundlegenden Sanierung des Hotels kann heute niemand vorhersagen, wieviel DDR-Architektur sichtbar bliebe.
Der Tourismus in Potsdam würde durch diese Veränderungen nicht beeinträchtigt, er ist lebendig über das ganze Stadtgebiet verteilt. In Potsdam können an vielen Orten erfolgreich Hotels betrieben werden, z. B. wird ein neues Hotel in der Speicherstadt gegenüber vom Bahnhof entstehen.
VII.2. „Vor allem am Mercure hängen persönliche Erinnerungen, es ist den Leuten und den Beschäftigten dort wichtig. 60 Arbeitsplätze werden vernichtet.“
Persönliche Gefühle und Erinnerungen spielen eine Rolle, aber nicht alle aus der DDR stammenden Menschen empfinden übereinstimmend, das Gebäude wird ebenso kritisch gesehen. Aber ganz gleich, um welche Gefühle es geht, sie genügen prinzipiell für solche Entscheidungen nicht. Es stehen zwei Ziele gegenüber: Erhalt des Mercure als Erinnerung an die DDR-Zeit oder Wiedergewinnung des Lustgartens als eines wichtigen öffentlichen Grünraumes. Das erste wird voraussichtlich nicht gelingen: Grundstück und Gebäude gehören einer Immobilienholding, die Hotelkette hat es gemietet, das Hotel wird in Potsdam geführt. Kaum werden die internationalen Anteilseigener sich für die DDR-Erinnerung interessieren, das DDR-Aussehen würde nach einer grundlegenden Sanierung voraussichtlich nicht bestehen bleiben.
Gerade durch die Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte entstehen neue Arbeitsplätze in der Hotel- und Gastronomiebranche, bereits jetzt werden in der Stadt und der Region Fachkräfte gesucht.
VII.3. „Die Wiese des Volkes ist Quatsch. Die Breite Straße stört ohnehin.“
Stimmt, das Wort von der Wiese ist nicht glücklich. Es lenkt auch vom eigentlichen Anliegen ab, einen freien, offenen, flexibel nutzbaren Lustgarten unmittelbar an der dichten, städtischen Altstadt zu schaffen, der den schon existierenden modernen Mittelteil ergänzt. Auch hier gilt es, neben den gewohnten Bildern im Kopf neue Bilder zuzulassen, sich beispielsweise den Aufenthalt in einem zukünftigen Restaurant am Neptunbecken vorzustellen, mit Blick auf das Panorama der Altstadt, in Reichweite zum nächsten Spielplatz oder zu den Schiffen der Weißen Flotte. Insgesamt würde die Attraktivität des Lustgartens deutlich zunehmen. In diesem Sinne stehen öffentliche Interessen den Renditeinteressen von Immobilieneignern am Hotelgrundstück gegenüber.
Der Platz zwischen Landtag, Marstall und Lustgarten kann in der Tat noch mehr Verkehrsberuhigung gebrauchen, dafür setzen wir uns gerne ein. Das ist aber kein Grund, die noch deutlichere Beeinträchtigung durch das Hotelbauwerk auf Dauer zu belassen. Gerade hier besteht die große Chance eines freien Lustgartens am Rande der dichten Altstadt.
VIII. Bürgerbeteiligung
VIII. 1. „Die Bürger sind zu wenig beteiligt worden, das soll jetzt nachgeholt werden.“
Die Stadtverordnetenbeschlüsse zur Potsdamer Mitte waren, soweit rechtlich zulässig, stets öffentlich. Gremien wie der Beirat Potsdamer Mitte, der allen Fraktionen offen stand, das öffentlich tagende Stadt-Forum, zahlreiche Beteiligungen und Veranstaltungen zum Sanierungsgebiet und zu den Bebauungsplänen, eine Befragung und eine forsa-Umfrage zum Landtagsbau, ein Bürgerbegehren gegen und eine Unterschriftensammlung für die Garnisonkirche haben stattgefunden. Seit Jahren beteiligen sich Bürgerinitiativen wie Mitteschön an der Diskussion um die Gestaltung der Mitte, insbesondere der Debatte um das Leitbautenkonzept; ebenso artikulieren sich die Kritiker. Auf Initiative des Oberbürgermeisters gibt es den Bürgerdialog zur Plantage.
1990, 1998, 2003, 2008 und 2014 haben die Kommunalwahlen vor dem Hintergrund dieses Diskurses wiederholt Mehrheiten für die Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte ergeben. Es ist immer legitim, in eine Debatte neu einzusteigen, aber der Behauptung, es hätte keine ausreichenden Möglichkeiten der Beteiligung gegeben oder diese Entwicklung wäre nicht demokratisch legitimiert, treten wir ausdrücklich entgegen.
VIII. 2. „Die Entscheidungen sind unumkehrbar, überlasst sie der nächsten Generation. Gebt nicht die Mitbestimmungsrechte an die zukünftigen Eigentümer ab.“
Was soll das genau heißen? Vor 1990 waren demokratisch legitimierte Entscheidungen nicht möglich, seitdem entscheiden gewählte Bürgerinnen und Bürger unabhängig von ihrer Jugend oder ihrem Alter. Dazu haben sie den Auftrag der Wählerinnen und Wähler. Was wäre Potsdam heute, hätten sie nach dem o.g. Grundsatz gehandelt? Was bedeutet ein solcher Gedanke für die Demokratie? Der Versuch durch Verzögerung die weitere Entwicklung zu verhindern, ist recht durchsichtig. Die Diskriminierung schon länger engagierter Menschen nimmt man dabei billigend in Kauf.
Die demokratischen Mitbestimmungsrechte sind eine Grundlage unserer Gesellschaft, sie bestehen unabhängig von Eigentümerstrukturen an einzelnen Grundstücken.
Schlussbemerkung
Wir unterstützen die Wiedergewinnung der Potsdamer Mitte weiter, weil sie städtebaulich sinnvoll ist. Potsdam nimmt eine sehr positive Entwicklung, ein Stillstand in der Potsdamer Mitte würde die Stadt um nahezu 25 Jahre zurückwerfen.
Wahlen und die Wahrnehmung aller Formen der Beteiligung sind Grundlagen unserer Demokratie, die wir ausdrücklich unterstützen. Die so öffentlich vorbereiteten demokratischen Beschlüsse müssen dann aber aber realisiert werden können, soll das Engagement der Bürgerinnen und Bürger nicht ad absurdum geführt werden. Weder unsere noch künftige Generationen sollten Entscheidungen, die sie nach reiflicher öffentlicher Debatte entwickelt haben, vertagen, wie könnten wir sonst die Probleme unserer Zeit bearbeiten?
Überall dort, wo weiter unterschiedlich gedacht und empfunden wird, setzen wir uns für einen fairen und offenen Diskurs ein.
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